„Jeder, der dies von ihm erhofft, heiligt sich, so wie Er heilig ist“ (1 Joh 3,3). Die Theologie der Hoffnung bei Johannes
Aus der Sicht der Methodologie und der Statistik
Die erste Stufe in der Forschungsanalyse eines Bibelwissenschaftlers über ein bestimmtes Thema besteht in der Auflistung aller Bibelstellen, in denen ein Begriff vorkommt, der Informationen zu diesem Thema beinhaltet. In der folgenden Etappe sucht er nach Bibelstellen, wo die Idee enthalten ist, ohne, dass sie wörtlich wiedergegeben ist. Nach der exegetischen Analyse beider Gruppen von Bibelstellen wird er imstande sein, ein in etwa adäquates Bild der vorgegebenen Idee zu präsentieren, wie sie uns die Bibel entschleiert.
Im Neuen Testament kommt der griechische Terminus ἐλπίς („Hoffnung“) 53-mal vor[1]. Eine rein statistische Sichtweise würde die Annahme nahe legen, wenn im gesamten Neuen Testament, das aus 27 Büchern besteht, 53-mal von der Hoffnung die Rede ist, dann müsste dieser Begriff nach dem Gesetz der Wahrscheinlichkeit, in etwa zwei Mal pro Buch enthalten sein. Wenn wir uns vergegenwärtigen, dass es im NT fünf Bücher der johanneischen Feder gibt, dann müsste in ihnen das Wort „Hoffnung“ etwa 10-mal vorkommen. In den Werken, die Johannes zugeschrieben werden, taucht indessen der Begriff „Hoffnung“ lediglich ein einziges Mal auf und zwar in 1 Joh 3,3. Diese ausgesprochen spärliche Verwendung dieses Begriffes bei Johannes mag wundern und zugleich zu einer tieferen Nachforschung ermutigen, welche Deutung Johannes dem Begriff der christlichen Hoffnung zumisst. Lassen wir den Abschnitt, wo Johannes von der Hoffnung spricht (1 Joh 3,3), auf uns wirken und versuchen wir die Konturen des Bildes nachzuzeichnen, das der Evangelist seinen Lesern vor Augen führt.
„Seht, wie groß die Liebe ist, die der Vater uns geschenkt hat: Wir heißen Kinder Gottes und wir sind es. Die Welt erkennt uns nicht, weil sie ihn nicht erkannt hat.
Liebe Brüder, jetzt sind wir Kinder Gottes. Aber was wir sein werden, ist noch nicht offenbar geworden. Wir wissen, dass wir ihm ähnlich sein werden, wenn er offenbar wird; denn wir werden ihn sehen, wie er ist.
Jeder, der dies von ihm erhofft, heiligt sich, so wie Er heilig ist.“ (1 Joh 3,1-3).
Die Basis der Hoffnung – die Kindschaft Gottes
Die christliche Hoffnung ist untrennbar mit dem Zustand der Gotteskindschaft verbunden: „Seht, wie groß die Liebe ist, die der Vater uns geschenkt hat: Wir heißen Kinder Gottes und wir sind es“ (s.o. 1a). Johannes lädt uns mit der hinreißenden Ausrufung ἴδετε („Seht“) zur Betrachtung der Gabe der Kindschaft Gottes ein. Die Gabe der Kindschaft Gottes gründet in der Liebe (ἀγάπη) Gottes dem Menschen gegenüber[2]. Im klassischen Griechisch taucht der Terminus ἀγάπη kaum auf, während er in LXX 14-mal als Bezeichnung für die physische Liebe und zwei Mal als Antonym zur „Feindschaft“ (Vgl. 2 Sam 1,26; 13,15; Koh 9,1.6; Hld 2,4.5.7; 5,8; 7,5; 8,4.6.7; Weish 3,9; 6,18; Sir 48,11; Jer 2,2) vorkommt. Der Terminus ἀγάπη wurde in der LXX aus dem Hebräischen (bh;a’) übersetzt. Im Buch der Weisheit steht dieser Begriff für die Liebe zu Gott („Alle, die auf ihn vertrauen, werden die Wahrheit erkennen und die Treuen werden bei ihm bleiben in Liebe. Denn Gnade und Erbarmen wird seinen Erwählten zuteil; Weish 3,9), sowie für die Liebe zur Weisheit (Weish 6,18; vgl. Sir 40,20). „In den Büchern der Propheten und in den Büchern der Weisheit lässt sich eine Sakralisierung des weltlichen Begriffes der Liebe beobachten. Das Hohelied der Liebe versteht unter agapē die Liebe des Bräutigams zu seiner Braut. Es ist eine Liebe, die den Sieg davon trägt, die vor der geliebten Person das Banner der Liebe hisst, die zum Lieben lockt (Hld 2,4), die voller Zärtlichkeit und Empfindungen ist“ [3]. Im Buch Deuteronomium (in LXX: Dtn 6,4) steht ἀγάπη für die Liebe zu Gott; wenn man Gott „mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft“ lieben soll, dann ist der Grund dafür die Liebe Gottes gegenüber Israel, seinem Erwählten (Dtn 7,6-8). Das Neue Testament verwendet den Begriff ἀγάπη relativ oft, nämlich etwa 120-mal, darüber hinaus als Verb (ἀγαπάω) fast 130-mal. Die Liebe gilt als Fundament der Beziehung zwischen Vater und Sohn (Kol 1,13; Joh 3,35; 10,17; 15,9; 17,23-24). Die Liebe zwischen Vater und Jesus wurde der Welt offenbart (Joh 14,31). Gott Vater liebt die Menschen mit der Liebe der ἀγάπη (Joh 3,16; Röm 8,37; 5,8; Eph 2,4; 2Kor 13,14; 1 Joh 3,1.16; 4,9-10) und möchte, dass auch der Mensch ihm eine solche Antwort der Liebe schenkt (Mt 22,37; Mk 12,30; Lk 10,27; Röm 8,28; 1 Kor 2,9; 2 Tim 4,8; 1 Joh 4,19). Ebenso hat sich Jesus in seiner Beziehung zum Menschen stets von solcher Liebe (Eph 5,2; Apg 1,5; Joh 15,9) leiten lassen und wünscht gleicherweise eine Liebesantwort von ihm (Eph 6,24; 1 Petr 1,8; Joh 21,16). An dieser liebenden Beziehung des Vaters sowie Jesus’ gegenüber dem Menschen können wir die Forderung ablesen, dass auch der Mensch sich in seinen Beziehungen von der Liebe leiten lassen soll (Joh 13,34; 15,12.17; 1 Petr 1,22; 1 Joh 4,7). Gott selbst ist ja die Liebe; die Liebe ist nicht eine der Eigenschaften, die Ihm eignen, sondern, sie ist sein innerstes Wesen (1 Joh 4,7-8).
Johannes legt das Verhältnis Gottes zu den Christen in der Kategorie der Relation zwischen Vater und Kind dar. Sehr konsequent verwendet er für die Christen die Bezeichnung τέκνα („Kinder“), wobei er den Nomen υἱός („Sohn“) ausschließlich für Jesus reserviert. Das Substantiv τέκνον bedeutet „Kind“ und beinhaltet zugleich das Geborenwerden. Im Neuen Testament bezeichnet dieser Terminus zweifelsohne die Mitglieder des israelitischen Volkes und ordnet diese als Kinder Gottes ein. Unter dieser Bedeutung findet sich dieser Begriff an folgenden Stellen wieder: Röm 8,16.17.21; 9,8; Phil 2,15; Eph 5,1; Joh 1,12; 11,52; 1 Joh 3,1.2.10; 5,2[4]. Die griechische Textvorlage des Alten Testamentes verwendet ebenso den Terminus τέκνον für die Bezeichnung der Israeliten als Kinder Gottes: Jes 30,1; 63,8; Jer 3,19; Hos 11,1. Um zu betonen, dass dieses Verhältnis der Christen gegenüber Gott wirklich auf der Grundlage der Kindschaft basiert, hebt Johannes hervor, dass sie nicht nur Kinder Gottes „heißen“ (κληθῶμεν), sondern auch in Wirklichkeit sind[5]. Eine ausdrückliche Akzentuierung dieser liebenden Beziehung Gottes zu den Menschen, begegnet uns in V.2, wo Johannes die Anrede „Geliebte!“ (ἀγαπητοί) gebraucht. Die Welt hat sie jedoch nicht erkannt, weil sie früher auch Ihn nicht erkannt hat: „Die Welt erkennt uns nicht, weil sie ihn nicht erkannt hat“ (V.1b). Dabei sollten wir mit besonderer Aufmerksamkeit die Bedeutung der Begriffe im johanneischen Verständnis aufnehmen: „die Welt“ (κόσμος) und „das Erkennen“ (γινώσκω). Unter der Bezeichnung „die Welt“ versteht Johannes Menschen, die Jesus und seine Heilsbotschaft verwerfen[6]. Die Welt steht unter der Herrschaft der Finsternis. Jesus kam in die Welt, um sie zu retten (Joh 3,17; 4,42; 6,33.51; 12,47), jedoch diejenigen, die seine Botschaft ablehnen, werden von dem traurigen Schicksal nicht verschont (Joh 9,39). Alle, die die Heilsbotschaft des Gottessohnes annehmen, gehören hinwieder nicht mehr der Welt an (Joh 15,19; 17,6.11.14.16), ja, mehr noch, sie werden von der Welt gehasst (Joh 15,18-19; 17,14). Johannes stellt eindeutig fest: „Wir wissen: Wir sind aus Gott, aber die ganze Welt steht unter der Macht des Bösen“ (1 Joh 5,19); er ruft den Gläubigen zu, nicht das zu lieben, was in der Welt ist (1 Joh 2,15) und sich darüber nicht zu wundern, von der Welt gehasst zu werden (1 Joh 3,13), denn in der Welt herrscht die Sünde, die ja die Gläubigen meiden sollten (1 Joh 2,16-17) [7].
In der Formulierung „die Welt aber hat Ihn nicht erkannt“ steht das Verb „erkennen“ für die historische Tatsache des Verwerfens Jesu durch die Juden, die sein Evangelium ablehnten. Da die Juden nicht imstande waren, in Jesus den Messias zu erkennen, vermögen sie auch nicht, die Christen zu erkennen. So wie sich einst der Hass der Welt gegen Jesus richtete, so trifft er nun die Jünger (Joh 15,18-19; 1 Joh 3,13). Letztendlich hat Jesus aber die Welt besiegt („In der Welt seid ihr in Bedrängnis; aber habt Mut: Ich habe die Welt besiegt“, Joh 16,33). Solch einen Sieg erringen die Christen durch den Glauben („Denn alles, was von Gott stammt, besiegt die Welt. Und das ist der Sieg, der die Welt besiegt hat: unser Glaube“, 1 Joh 5,4).
Die johanneische Verwendung des Begriffes „Kindschaft“, angewandt auf die Christen, mag einen Bezug zur Idee der erneuten Geburt herstellen. Wenn Gott Vater der Gläubigen ist, dann schließt dies in sich, dass er sie gezeugt hat und dass sie eine neue Geburt erfahren haben (Joh 3,5)[8]. Die, im Gespräch mit Nikodemus verwendete Formulierung ean mē gennēthē anōthen, weist eine doppelte Deutungsmöglichkeit auf: „wenn jemand nicht von neuem geboren wird“ oder „wenn jemand nicht ‚von oben’ geboren wird“. Wie sollte man die Aussage Jesu richtig verstehen? Nikodemus hat scheinbar die erste Deutung vertreten, was man aus seiner Verwunderung schließen kann, dass der Mensch doch nicht in den Schoß seiner Mutter zurück kehren kann, so wie aus der Verwendung des Begriffes δεύτερον („erneut“). Jesus geht auf die Verwunderung Nikodemus ein und erklärt ihm, dass es nicht um eine leibliche, sondern um eine Geburt „aus Wasser und Geist“[9] geht, die ja nicht als eine wiederholte Geburt angesehen werden kann, sondern als eine völlig neue und andere Geburt. Die Wortprägung von der Geburt im religiösen Kontext war für Nikodemus, als einen gebildeten Pharisäer, sicher nicht fremd, denn die Rabbiner (früher zählten sie zu den Pharisäern) nannten diejenigen, die das Judentum annahmen, „neu geborene Säuglinge“ [10]. Möglicherweise war Nikodemus verwundert oder auch in gewisser Weise verunsichert durch die Anwendung dieser Begrifflichkeit auf die Juden, die ja eigentlich das Heil schon gefunden haben, und nicht auf die Heiden. Jesus verweist in seiner Darlegung vor Nikodemus auf die Tatsache der Liebe Gottes (Joh 3,16), so wie auf den Zusammenhang zwischen der Geburt (von oben) und der Erhöhung des Menschensohnes auf der Erde (Joh 3,14). Die Kreuzigung und der Tod Jesu sind die Bedingungen dafür, dass eine neue Geburt sich vollziehen kann[11]. Die zum Glauben an Christus kamen, gehören, während Johannes seinen Brief niederschreibt, zu denen, die schon als Kinder Gottes neu geboren wurden und gerade darin den Grund ihrer christlichen Hoffnung ersehen.
Der Inhalt der Hoffnung – Christusähnlichkeit
Die aktuelle Gotteskindschaft der Christen lässt den endgültigen Stand ihrer Beziehung zu Gott noch offen, denn „jetzt sind wir Kinder Gottes. Aber was wir sein werden, ist noch nicht offenbar geworden“ (V. 2a). Durch seine Menschwerdung eröffnete Jesus Christus jedem Menschen die Möglichkeit, an seiner Kindesbeziehung zu Gott, dem Vater, teilzunehmen. Diese Relation vollzieht sich durch den Glauben und durch die Taufe. Schon jetzt werden die Gläubigen zu Kindern Gottes, jedoch wird die endgültige Vollendung dieser Kindschaft erst dann vollzogen, wenn man Christus von Angesicht zu Angesicht in der Endzeit schaut. Die Eschatologie kennt diese Wirklichkeit als Spannung zwischen dem „Schon“ und „Noch-nicht“. Die Christen sind schon Kinder Gottes geworden, sie werden ihm jedoch erst nach der Parusie, im Mysterium des Schauens seiner Herrlichkeit, ähnlich werden. Das Ziel des Schauens Christi ist, ihm ähnlich zu werden. „Manche Strömungen der griechischen Denkweise erblickten in der Kontemplation der göttlichen Dinge einen Weg zur Verähnlichung der menschlichen Natur mit der Gottheit. Die antiken Philosophen, darunter auch Platon, glaubten, eine solche Verwandlung durch das Schauen des Geistes, nicht der Sinne, erreichen zu können. Filon teilte die Ansicht, dass der Mensch Gott, aufgrund seiner Transzendenz, lediglich in einer mystischen Erfahrung erkennen kann. Ferner glaubte er, dass Gott Israel, sowie vor allem die Propheten, mit der Gabe der mystischen Visionen bedachte, allerdings mussten die Tugend der Reinheit der Seele, sowie das Streben nach Vollkommenheit, hinzukommen. In manchen jüdischen Texten, hauptsächlich aus der mystischen Strömung, findet man solche Auffassungen. Durch die Verknüpfung des Schauens Gottes mit der Endzeit, wurde diese Auffassung noch verstärkt und in manchen apokalyptischen Denkrichtungen der Juden sollte das Schauen von Gottes Herrlichkeit zur Umwandlung des Menschen führen[12]. Johannes legt einen ähnlichen Gedanken dar: das Schauen Christi bringt eine Verwandlung hervor.
Für gewöhnlich findet sich im Neuen Testament die Formulierung „Hoffnung haben“ (ἐλπίζω; vgl. Röm 15,12; 1 Tim 4,10), während Johannes eine Wortprägung wählt, die lediglich ein einziges Mal im Neuen Testament verzeichnet ist („Jeder, der dies von ihm erhofft”, πᾶς ὁ ἔχων τὴν ἐλπίδα (1 Joh 3,3a)[13]. Diese Art verleiht nicht nur der Rede eine größere Ausdruckskraft, sondern sie weist nachdrücklich auf das Objekt der Hoffnung, nämlich auf Christus, hin. Das Pronomen αὐτῷ („von Ihm“) ist auf Christus bezogen, was deutlich aus dem vorigen Satz hervorgeht: „wir werden Ihm ähnlich sein“, oder „wir werden Ihn sehen“ (V. 2b). Der Gegenstand der Hoffnung ist auf Christus hin orientiert: V. 2b nennt dabei nicht nur das Schauen Christi, sondern auch das Ihm-Ähnlich-Werden[14]. Aus der Sicht der Eschatologie stellt die zweite Differenzierung – die Christusähnlichkeit – den grundlegenden Inhalt der christlichen Hoffnung überhaupt dar[15]. Der Prozess der Verähnlichung mit Christus setzt gegenwärtig an, erreicht jedoch seine Vollendung erst am Ende der Zeiten, wenn wir Ihn sehen werden, „wie er ist“. Die vollkommene Verähnlichung mit Christus wird als Folge dieses Schauens, wie Er wirklich ist, eintreten. Man könnte es als These aufstellen, dass ein Christ erst im Moment des unmittelbaren Schauens Christi, Ihm ähnlich werden kann, denn „jetzt schauen wir in einen Spiegel und sehen nur rätselhafte Umrisse, dann aber schauen wir von Angesicht zu Angesicht“ (1 Kor 13,12). „Die christliche Hoffnung setzt also voraus, dass der an Christus Glaubende sich nie in seiner eigentlichen, vollendeten Natur besitzen kann, sondern dass sein Dasein sich mit Ihm und in Ihm in einem ständigen Hineinwachsen in die Gotteskindschaft vollzieht[16].
Johannes drückt das hoffnungsvolle Erwarten der Verähnlichung mit Christus mit dem Begriff ὅμοιοι („ähnlich“ – in der lateinischen Übers.: similes) aus. Diese Formulierung erinnert an die Erschaffung des Menschen als „unser Abbild, uns ähnlich“, aus dem Schöpfungsbericht (Gen 1,26-27). Der Mensch ist als Abbild Gottes Ihm ähnlich, ist aber nicht selbst Gott. Gerade weil er Gott ähnlich ist, sollte er über der ganzen Kreatur herrschen. Die dreifache Betonung der Ähnlichkeit des Menschen als Abbild Gottes im Schöpfungsbericht (Gen 1,26-27) befähigt den Menschen, über die Erde zu herrschen. Stattdessen überließ der Mensch dieses Privileg des Herrschens dem Fürsten der Finsternis, indem er die Sünde wählte. Die christliche Hoffnung schließt nun in sich, die Rückkehr zu dem vorerbsündlichen Zustand der Stammeltern und darüber hinaus auch die Rückgewinnung der vollen Kindschaft Gottes, nach dem Abbild Christi, im Schauen seiner, wie Er ist.
Der Weg der Hoffnung – Selbstheiligung
Die johanneische Konzeption der christlichen Hoffnung ist voller Dynamik. Es geht nämlich nicht um ein passives Erwarten der Erlösungsvision, sondern um das Gestalten des Lebens in einem dauernden, sehr intimen, tief innerlichen Verhältnis zu Gott, Vater, Jesus Christus und dem Heiligen Geist[17]. Es ist ein Weg der dauernden Selbstheiligung, denn „jeder, der dies von ihm erhofft, heiligt sich, so wie Er heilig ist“ (V. 3). Betrachten wir noch genauer die johanneische Begrifflichkeit. Das Verb „sich heiligen“ ist mit dem griechischen ἁγνίζω wiedergegeben und der Adjektiv „heilig“ mit ἁγνός[18]. Vermutlich würde der Leser an dieser Stelle die, für Paulus typischen Termini, erwarten: ἁγνίζω und ἅγιος. Während bei Paulus sowohl das Verb, wie der Adjektiv einen ontischen, nicht moralischen, Charakter aufweisen können (die Christen sind „heilig“, weil sie die Taufe empfangen haben), wählt Johannes bewusst zwei Begriffe, die deutlich das aktive Element beinhalten. Für Johannes hat die Heiligkeit eine moralische Konnotation und verlangt vom Christen eine gewisse Anstrengung, deswegen steckt in seinen Begriffen das „sich reinigen“, weil auch Er „rein“ sei, drin. Der Christ lebt zwar schon im Verhältnis der Kindschaft Gottes, er ist zugleich imstande, dieses Beziehungsband ständig durch seine Selbstheiligung zu verstärken. Das bewegende Motiv für diesen Heiligungsprozess ist so zu sein, wie Christus (V. 3b). Wenn Johannes in V. 2b davon spricht, dass wir Ihn sehen werden, wie Er ist, dann müssen wir diese Aussage in den Kontext der Seligpreisungen stellen, wo es heißt, dass diejenigen, die ein reines Herz haben, „Gott schauen werden“ (Mt 5,8). Für die Juden stellt sich sogleich der Zusammenhang mit dem Psalm vom Einzug des Herrn in sein Heiligtum dar:
„Wer darf hinaufziehn zum Berg des Herrn,
wer darf stehn an seiner heiligen Stätte?
Der reine Hände hat und ein lauteres Herz,
der nicht betrügt und keinen Meineid schwört“ (Ps 24,3-4).
Der Psalmist stellt fest, dass nur diejenigen Gott auf dem Sion schauen dürfen, deren Herz lauter sei. Demnach geht es nicht allein um das Befolgen der Rechtsvorschriften und Riten[19]. Wer in den Tempel eintritt, sollte ein „reines Herz“ haben, sprich ohne Sünde sein. Das Motiv vom reinen Herzen und dem Angesicht Gottes begegnet uns auch im Bußpsalm 51:
„Erschaffe mir, Gott, ein reines Herz
und gib mir einen neuen, beständigen Geist!
Verwirf mich nicht von deinem Angesicht
und nimm deinen heiligen Geist nicht von mir!“ (Ps 51,12-13)
Wir wissen, dass die alttestamentliche Sehnsucht nach dem Schauen des Angesichts Gottes, nicht in Erfüllung ging; man hat sie auf das messianische Zeitalter verlagert, wo der Gesalbte Gottes seine Herrschaft antreten soll. Das Christentum hat diese Vision übernommen und ihre Verwirklichung in der Person Jesus Christus offen gelegt. Wer an Ihn glaubt, der wird Ihn schauen, wie Er ist, denn sein Herz wird geheiligt sein.
Wenn Johannes die Bezeichnung von der Reinheit und Unberührtheit (ἁγνός) auf Christus anwendet, dann versteht er darunter seinen absoluten und vollendeten Sieg über die Sünde (1 Joh 2,2; 3,5.8). Ein wesentlicher Aspekt im Prozess der Reinigung und Heiligung sei das Bekenntnis der eigenen Sünden: „Wenn wir sagen, dass wir keine Sünde haben, führen wir uns selbst in die Irre und die Wahrheit ist nicht in uns. Wenn wir unsere Sünden bekennen, ist er treu und gerecht; er vergibt uns die Sünden und reinigt uns von allem Unrecht“ (1 Joh 1,8-9). Die Hauptsünde nach Johannes besteht im Unglauben (1 Joh 5,10). Das wirksamste Mittel, welches man dagegen anwenden kann, ist Vertiefung des Glaubens durch das Wort Gottes. Dieses Wort nennt Johannes den „Samen Gottes“ (1 Joh 3,9), so wie eine „Salbung“ (1 Joh 2,20). Wer das Wort Gottes aufnimmt, der wird innerlich gewandelt. Die Wortprägung vom „Samen Gottes“ im Sinn des Wortes Gottes wurde schon im Alten Testament verwendet (Ps 37,31; 119,11; Jer 31,33-34; Ez 36,25-27), deswegen ist diese Auslegung bei Johannes sehr wahrscheinlich.
Abschluss
Die christliche Hoffnung nach 1 Joh 3,1-3 besteht im Prozess des Hineinwachsens des Christen in sein volles Verhältnis der Kindschaft Gottes nach dem Bild Christi. Dieses Wachstum vollzieht sich im Aufnehmen des Wortes Gottes, sowie im Geständnis der eigenen Sünden. Wer diesen Weg tatkräftig mitgeht, der erfährt die Verähnlichung mit Christus und wird Ihn schauen, wie Er ist, aufgrund der Hoffnung, die ihm geschenkt wird. Diesen Weg kann der Christ durch seine Neugeburt in der Taufe schon in der Gegenwart betreten, die vollen Früchte des Schauens und der Verähnlichung mit Christus wird er jedoch erst nach der Parusie sein eigen nennen. „In dieser Spannung zwischen dem ‚Schon und Noch nicht’ lebend, ist der Christ aufgerufen, sich an Jesus als den Mittler bei Gott zu wenden, ihm seine Sünden zu bekennen und die Vergebung, sowie Reinigung von aller Schuld, zu erfahren […]. Christus ist das Fundament der christlichen Hoffnung. Die Hoffnung, Jesus beim endgültigen Gericht schauen zu dürfen, treibt zur Selbstheiligung an, damit wir schon jetzt heilig werden, wie Er heilig ist […]. Die Hoffnung ist untrennbar mit dem Willen zur Heiligung und Verneinen des Unrechts, sowie mit dem Leben nach der Gerechtigkeit Gottes verbunden, als Ausdruck für das Bleiben in Gott, schon jetzt. Auf diese Weise verwirklicht sich der Prozess der Reinigung des Subjektes der Hoffnung, welches das ewige Leben ist“[20]. Dieser Prozess vollzieht sich in der Verwirklichung vieler kleiner Hoffnungen, denen wir schon jetzt begegnen, als Ausdruck der einzigen und größten Hoffnung im eschatologischen Sinn: „[…] Wir brauchen die kleineren oder größeren Hoffnungen, die uns Tag um Tag auf dem Weg halten. Aber sie reichen nicht aus ohne die große Hoffnung, die alles andere überschreiten muss. Diese große Hoffnung kann nur Gott sein, der das Ganze umfasst und der uns geben und schenken kann, was wir allein nicht vermögen. Gerade das Beschenktwerden gehört zur Hoffnung. Gott ist das Fundament der Hoffnung – nicht irgendein Gott, sondern der Gott, der ein menschliches Angesicht hat und der uns geliebt hat bis ans Ende: jeden einzelnen und die Menschheit als ganze. Sein Reich ist kein imaginäres Jenseits einer nie herbeikommenden Zukunft; sein Reich ist da, wo er geliebt wird und wo seine Liebe bei uns ankommt. Seine Liebe allein gibt uns die Möglichkeit, in aller Nüchternheit immer wieder in einer ihrem Wesen nach unvollkommenen Welt standzuhalten, ohne den Elan der Hoffnung zu verlieren. Und seine Liebe ist uns zugleich Gewähr dafür, dass es das gibt, was wir nur dunkel ahnen und doch im tiefsten erwarten: das Leben, das „wirklich” Leben ist“[21].
Streszczenie
„Każdy, kto pokłada w Nim tę nadzieję, uświęca się, podobnie jak On jest święty” (1 J 3,3). Teologia nadziei według Jana
Chrześcijańska nadzieja według 1 J 3,1-3 to proces dorastania wierzącego do pełni dziecięctwa Bożego na wzór Chrystusa. Dorastanie to odbywa się za pomocą umacniania wiary przez karmienie się słowem Bożym i przez wyznawanie grzechów. Kto z entuzjazmem wkroczy na tę drogę, dzięki nadziei uzyska podobieństwo do Chrystusa, którego ujrzy w bezpośredniej wizji takim, jakim jest. Wkroczenie na tę drogę dokonuje się już teraz przez nowe narodzenie związane z przyjęciem chrztu, natomiast oglądanie Chrystusa i upodobnienie się do Niego nastąpi po paruzji, gdy już On się objawi.
Słowa kluczowe: 1 List Jana, nadzieja, miłość, świętość, eschatologia.
Keywords: First Letter of John, hope, love, holiness, eschatology.
[1] R. Morgenthaler, Statistik des neutestamentlichen Wortschatzes, Zürich – Stuttgart 1972, 94. Dieser Terminus taucht 8-mal in Apg, in den Briefen des Paulus 36-mal, in Hebr 5-mal, in 1 Petr einmal und bei Johannes einmal.
[2] H. Langkammer, Bóg jako Ojciec w Listach św. Jana, SSc 4(2000) 118.
[3] M. Guzewicz, Miłość prawdziwa. Refleksje na bazie analizy terminu agapē, w: W. Chrostowski (red.), „Żyjemy dla Pana” (Rz 14,8). Studia ofiarowane S. Prof. Ewie J. Jezierskiej OSU (RSB 23), Warszawa 2006, 144.
[4] S. LÉgasse, L’Évangile de Marc (LeDivC 5), I-II, Paris 1997; ital. Üb.: Marco, Roma 2000, 377.
[5] Die Worte kai esmen („und [sie Wirklichkeit] sind“) wurden in manchen Manuskripten (K L al) weggelassen, vermutlich meinten die Kopisten, dies seien Wiederholungen der vorhergehenden Aussage. In den ältesten Manuskripten tauchen jedoch diese Worte auf.
[6] S. Gądecki, Wstęp do pism Janowych, Gniezno 1991, 86.
[7] L. Ryken, J.C. Wilhoit, T. Longman III, Słownik symboliki biblijnej. Obrazy, symbole, motywy, metafory, figury stylistyczne i gatunki literackie w Piśmie Świętym, tłum. Z. Kościuk, Warszawa 1998, 983.
[8] I.H. Marshall, The Epistles of John (NICNT), Grand Rapids 1984, 169-171.
[9] In der Einheitsübersetzung der Bibel wird das Nomen „Geist“ groß geschrieben, was auf die Deutung des Heiligen Geistes hinweisen kann.
[10] C.S. Keener, Komentarz historyczno-kulturowy do Nowego Testamentu (PSB 16), tłum. Z. Kościuk, red wyd. polskiego K. Bardski, W. Chrostowski, Warszawa 2000, 192.
[11] A. Siemieniewski, Nowe narodzenie w dawnych wiekach Kościoła. „Przez wodę i krew” (1 J 5,6), Wrocław 2007, 12-15.
[12] C.S. Keener, Komentarz historyczno-kulturowy do Nowego Testamentu, dz. cyt., 574.
[13] S.S. Smalley, 1,2,3, John (WBC 51), Waco 1984, 148.
[14] I. de la Potterie, Speranza in Cristo e purificazione (1 Gv 3,3), PSV 9 (1984), 209.
[15] S. Haręzga, „Będziemy do Niego podobni” – nadzieja chrześcijan według 1J 3,1-3, VV 9 (2006), 126.
[16] Tamże, 129.
[17] E. Hoffmann, Speranza, in: L. Coenen, E. Beyreuther, H. Bietenhard (hg.), Dizionario die confetti biblici del Nuovo Testamento, Bologna 1980, 1780.
[18] Terminus ἁγνίζω wurde in der Zeit der Reinigung in Jak 4,8 verwendet: („Sucht die Nähe Gottes; dann wird er sich euch nähern. Reinigt die Hände, ihr Sünder, läutert euer Herz, ihr Menschen mit zwei Seelen!“) sowie in 1 Petr 1,22 („Der Wahrheit gehorsam, habt ihr euer Herz rein gemacht für eine aufrichtige Bruderliebe; darum hört nicht auf, einander von Herzen zu lieben“).
[19] T. Hergesel, Osiem błogosławieństw. Istota życia chrześcijańskiego, Wrocław 1999, 97-99.
[20] S. Gądecki, Wstęp do pism Janowych, dz. cyt., 94.
[21] Benedikt XVI, Spe salvi 31.